1 | Poética del camino | 15 € | 8 € |
2 | Lebensräume | 10 € | 6 € |
3 | Kammerkonzert | 15 € | 8 € |
4ab | Magischer Raum | 15 € | 8 € |
5 | KoRa | 10 € | 6 € |
6 | Young Digital Adventures | 10 € | 6 € |
Podiumsdiskussion | Eintritt frei | ||
7 | Radz quartet Kyjiw | 10 € | 6 € |
Editorial
Mit der Solitude einer einzelnen Bassklarinette beginnt das Festival Der Sommer in Stuttgart. Es entspinnen sich polyphone Wege, kreuzen sich »Reiserouten« des Klangs: Alberto Posadas’ Poética del camino entfaltet eine Dramaturgie rund um das Phänomen eines zu beschreitenden Weges, das sinnbildlich für viele Konzerte des Festivals steht. Das Eröffnungskonzert versammelt Musiker:innen aus drei renommierten baden-württembergischen Ensembles, die jeweils mit eigenen Projekten den weiteren Verlauf des kurzen Sommerfestivals prägen. Sie haben bekannte und in Stuttgart debütierende, junge und avancierte Komponist:innen im Gepäck: Konzerte zwischen kontemplativer Poesie und Experimentierlust.
Eingebettet sind zwei Konzerte ukrainischer Musiker – ein Crossover zu Fusion und Jazz-Rock, unbedingt, fordernd und explizit – sowie ein Gespräch über die sehr unterschiedlichen Wege, die Künstler:innen in ex-sowjetischen Ländern aktuell gezwungen sind zu beschreiten, herausgeworfen von autokratischen Systemen in Situationen von Unsicherheit, Selbstbehauptung und ständigem Perspektivenwechsel.
Schließlich setzen wir im Sommerfestival auch unsere Erforschung hybrider Formate und digitaler Errungenschaften fort mit einem multiperspektivischen »Magischen Raum« und mit »Digital Adventures« junger Künstler:innen, die herausgefunden haben, wie Computer und Internet als musikalische Instrumente verstanden werden und eine bilderreiche Erzählung entfalten können.
Seien Sie herzlich willkommen!
Programm

Poética del camino
Zyklus von Alberto Posadas
für ein bis zehn Instrumente und zwei bis sechs Stimmen (2019)
Neue Vocalsolisten
Johanna Vargas Sopran Truike van der Poel Mezzosopran Daniel Gloger Countertenor Martin Nagy Tenor Guillermo Anzorena Bariton Andreas Fischer Bass
Ensemble Recherche
Anja Clift Flöte (a.G.) Eduardo Olloqui Oboe Shizuyo Oka Klarinette Markus Schwind Trompete (a.G.) Andrew Digby Posaune (a.G.) Klaus Steffes-Holländer Klavier Christian Dierstein Percussion Melise Mellinger Violine Geneviève Strosser Viola Åsa Åkerberg Violoncello
Eine persönliche »Winterreise« steht am Beginn des Sommerfestivals neuer Musik. Neben Wilhelm Müllers Gedichten sind Texte von Antonio Machado, Jorge Manrique und Hermann Hesse die Quellen für Alberto Posadas’ musikalische Poetik. Sie alle befassen sich mit dem Thema des Weges – als Symbol für inneres Exil, für den Übergang in den Tod, für Entstehungsprozesse und für das Ephemere. Die Bewegungen der Stimmen und Instrumente machen Raumerfahrungen möglich, die mit dem Unterwegssein konfrontieren: ein »Bild verschwindender Wege, die keine Wiederkehr erlauben«. Die Poética del camino ist eine Reflexion über Veränderungen, Übergänge, das alte Motiv des Schreitens und Wanderns bis hin zu den letzten existentiellen Fragen. Posadas verbindet damit einen Prozess des Zuhörens als »kreatives Phänomen in ständiger Konstruktion und Neudefinition«. Mit motivischen, klangfarblichen und choreographischen Verbindungslinien gibt er den Zuhörenden Raum, ihre eigene Art des Hörens zu suchen und zu entdecken.

Lisa Streich: Nebensonnen
für Klarinette und Streichtrio (2015)
Jonah Haven: slip letting by hand
für Violine und Violoncello (2018)
Vito Žuraj: Ruée
für Klarinette solo (2002/2010)
Kristine Tjøgersen: Habitat
für Streichtrio (2022)
Ensemble Recherche
Melise Mellinger Violine Geneviève Strosser Viola Åsa Åkerberg Violoncello Shizuyo Oka Klarinette
In ihren »Nebensonnen« greift Lisa Streich die Poesie des vorausgehenden Konzertes auf – und sie verweist zugleich auf ein physikalisches Phänomen: eine Eiskristall-schimmernde Lichterscheinung beim Betrachten der Sonne. Von der Natur inspirieren ließ sich auch Kristine Tjøgersen, die sich in ihrem Streichtrio mit »Habitaten« beschäftigt, also mit tierischen und menschlichen Lebensräumen. Spielerisch kommen ihre Klänge (darunter Geräusche eines alten Kühlschranks, der Sound eines Pariser Cafés, Vögel in Freiburger Stadtbäumen) daher, aber mit den Schreien der Gibbon-Affen und Giant Banjo Frösche richtet die Komponistin unsere Aufmerksamkeit auch auf das Aussterben dieser bedrohten Tierarten, deren Lebensräume immer mehr vernichtet werden. Dazwischen Vito Žurajs im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubendes Bravourstück für Klarinette und ein Werk von Jonah Haven, das sich mit dem Künstler Lebbeus Woods und dessen existenzialistischem Verständnis von Architektur auseinandersetzt.

Kammerkonzert
Stefan Keller: Breathe
für Akkordeon, Gitarre, Klavier (2016)
Elnaz Seyedi: A very close look from far away
für Violoncello, Gitarre und Visuals (2016)
Noriko Baba: Tamayura
für Violoncello und Gitarre (2010)
Fabien Lévy: Chroniques déchantées
für Akkordeon und Klavier (2019)
Isabel Mundry: Sounds, Archeologies
für Bassethorn, Violoncello und Klavier (2017/18)
Ensemble Ascolta
Carl Rosman Bassetthorn Erik Borgir Violoncello Anne-Maria Hölscher Akkordeon Florian Hölscher Klavier Hubert Steiner Gitarre
Mit einer »Archäologie der Klänge« eröffnet Ensemble Ascolta das zweite Festivalwochenende. Isabel Mundry grub in den Sedimenten unserer Musikgeschichte und stieß auf ihre Archetypen: Polyphonien, Melodien, Responsorien, Dreiklänge, Leersaiten, Eigenzeiten von Spielaktionen, Ausklänge…, um sie neu nach ihren Ausdrucksmöglichkeiten zu befragen. Gleich einer Archäologin breitete sie diese Fundstücke auf ihrem Schreibtisch aus »wie ägyptische Skulpturen, um der Frage nachzugehen, ob und wie sie noch zu mir sprechen, damit auch ich mit ihnen sprechen kann.«
Auch die anderen kammermusikalischen Fundstücke, die die Solisten von Ascolta in aller Klangsinnlichkeit vor uns ausbreiten, schöpfen auf unterschiedliche Weise aus archetypischen Phänomenen, sei es der Sog, den Stefan Keller aus einer Atembewegung erzeugt, seien es Wahrnehmungsparadoxien, die Fabien Lévy provoziert, oder die musikalische Transformation einer Bewegung, die Elnaz Seyedi nachvollzieht.

Carola Bauckholt: Witten Vakuum
für zwei Frauenstimmen mit zwei Staubsaugern (2019 – 2020)
Ricardo Eizirik: in steps 1 & 3
for five amplified voices and one controller (2018 / 20)
Manuel Hidalgo Navas: ir
for 5 voices and tape (2021)
Mauro Lanza: Diesiecta Membra
für 6 Stimmen (2015)
Jennifer Walshe: soft menagerie
for 3 singers with objects (2011)
Neue Vocalsolisten
Johanna Vargas Sopran Susanne Leitz-Lorey Sopran Truike van der Poel Mezzosopran Martin Nagy Tenor Guillermo Anzorena Bariton Andreas Fischer Bass
In pandemischer Zeit begannen die Neuen Vocalsolisten, »Magische Räume« zu entwickeln: Formate, die dem distanzierten Erlebnis eines Konzerts auf dem Computerbildschirm durch digitale Mittel und Perspektivenwechsel eine eigene »Magie« verleihen – nicht in Konkurrenz zum geschätzten Konzertsaal, sondern mit Entdeckerlust auf dem Weg zu neuen Erfahrungen.
Ricardo Eiziriks »dynamisches Konzertformat« richtet sich nicht nur an das internationale Publikum, das online während der Pandemie gewonnen wurde, sondern zugleich an ein – allerdings »erlesenes«, weil limitiertes – Publikum, das zusammen mit den Sänger:innen und den zum Einsatz kommenden Objekten während des ganzen Konzerts in Bewegung sein wird. Stets wechselnde Positionen und Perspektiven verändern auch die Rollen zwischen Beobachtenden und Beobachteten: Es wird nicht nur neu definiert, was es bedeutet, eine Zuschauer:in oder eine Musiker:in zu sein, sondern auch, was es bedeutet, sich in einem Konzertraum zu befinden.
So möchte der Komponist ein neues Bewusstsein für das Repertoire erzeugen, das während eines Konzerts erklingt, und auch eine neue Erfahrung der Selbstwahrnehmung bei der Teilnahme an einem performativen Raum.

KoRa
Improvisations-Session mit
Maxim Kolomiiets und
Dmytro Radzetskyi (Kyjiw)
Die beiden ukrainischen Musiker, der Komponist und klassische Oboist Maxim Kolomiiets und der Jazz-Gitarrist und Instrumentenerfinder Dmytro Radzetskyi, fanden zusammen, um mit Musik die Schrecken des Krieges zu überwinden, weil sie »die Angst und Verzweiflung therapiere und innerer Entleerung entgegenwirke«. Improvisierend suchen sie ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Musikstilen und erschaffen neue, (manchmal für sie selbst) überraschende musikalisch-ästhetische Modelle, wobei ein größtmögliches Arsenal an Instrumenten, Haushaltsgegenständen und Elektronik zum Einsatz kommt. Für scheinbar unvereinbare Klänge finden sie unerwartete Kontexte, im Verwischen der Grenzen zwischen Genres und Stilen erschaffen sie eine neue Klangwelt, um den Begriff der Musik selbst zu erweitern.

Young Digital Adventures
Abschlusskonzert des Kompositionswettbewerbs ad libitum
Bertrand Chavarría-Aldrete: Sc(herz)o infinito
80 Miniatur-Kompositionen in Videos (1 – 11 Mitspieler:innen) (2022) ᵁᴬ
Dorothea Koch und Alicia Ryes: Onions and Nuts
für PCs und Performerinnen (2022) ᵁᴬ
TrioNONtrio: TEILKÖRPER – Das Werk als Raum-Instrument
Ein kybernetisch-multimediales Konzept für kollektive Musik und visuelle Kunst in Echtzeit (2022) ᵁᴬ
Mit jungen Musiker:innen von
Musikzug Wentzinger Gymnasium, Musikschule Renningen, Fritz Leonhardt-Realschule Degerloch, Johannes-Kepler Gymnasium Reutlingen, Landesjugendensemble Baden-Württemberg und weiteren Schulen und Jugendmusikschulen aus der Region Stuttgart
Wie Computer und Internet zu virtuosen Musik-Instrumenten werden, wenn kompositorisch wie technisch kreative Köpfe ans Werk gehen, ist in diesem außergewöhnlichen Konzert mit jugendlichen Akteur:innen zu erleben. Inspiriert von dem berühmten Bild »Kinderspiele« des flämischen Renaissancemalers Pieter Bruegel dem Älteren komponierte Bertrand Chavarría-Aldrete 80 Miniatur-Performances, die sich als Handyvideos zu einem klingenden Tableau zusammensetzen. Dorothea Koch und Alicia Ryes entwickelten mit jungen Medien-Profis eine Performance, in der sich durch den Einsatz von Facebook und Video-Call nachvollziehen lässt, wie sich unsere Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung während der Pandemie verändert haben. TrioNONtrio schließlich hat ein eigenes virtuelles Instrument entworfen, um kollektiv in Echtzeit Musik und visuelle Kunst zu generieren und neue, nicht unbedingt physische Räume zu eröffnen.

Perspektiven
Künstler:innen zwischen Freiheit und postsowjetischem Trauma
Ein Gespräch mit Maxim Kolomiiets (UKR), N.N. (BY) und Sergej Newski (RUS)
Seit Sommer 2020 richten wir regelmäßig die Aufmerksamkeit auf die belarusische Kunstszene, auf Werke, die in der Auseinandersetzung mit dem autokratischen Regime im Exil entstanden sind. Ganz anders, vielleicht noch existentieller, aber dem gleichen brutalen und misanthropischen Zynismus geschuldet, ist die Situation der Ukrainer:innen, die nun unsere ganze Unterstützung brauchen. Nicht zuletzt müssen auch russische Künstler:innen ihr Land verlassen, um dem Würgegriff ihres Regimes zu entkommen. Drei Länder – eine Schicksalsgemeinschaft? Wie unterschiedlich gehen Künstler:innen aus diesen Ländern mit dieser Situation um, was fordern sie voneinander ein – und kann eine gemeinsame Utopie formuliert werden? Im Gespräch mit Vertreter:innen dieser unterschiedlichen und doch verwandten Kulturen werden Positionen geklärt und sicher auch neue Fragen aufgeworfen.

Carola Bauckholt: Witten Vakuum
für zwei Frauenstimmen mit zwei Staubsaugern (2019 – 2020)
Ricardo Eizirik: in steps 1 & 3
for five amplified voices and one controller (2018 / 20)
Manuel Hidalgo Navas: ir
for 5 voices and tape (2021)
Mauro Lanza: Diesiecta Membra
für 6 Stimmen (2015)
Jennifer Walshe: soft menagerie
for 3 singers with objects (2011)
Neue Vocalsolisten
Johanna Vargas Sopran Susanne Leitz-Lorey Sopran Truike van der Poel Mezzosopran Martin Nagy Tenor Guillermo Anzorena Bariton Andreas Fischer Bass
In pandemischer Zeit begannen die Neuen Vocalsolisten, »Magische Räume« zu entwickeln: Formate, die dem distanzierten Erlebnis eines Konzerts auf dem Computerbildschirm durch digitale Mittel und Perspektivenwechsel eine eigene »Magie« verleihen – nicht in Konkurrenz zum geschätzten Konzertsaal, sondern mit Entdeckerlust auf dem Weg zu neuen Erfahrungen.
Ricardo Eiziriks »dynamisches Konzertformat« richtet sich nicht nur an das internationale Publikum, das online während der Pandemie gewonnen wurde, sondern zugleich an ein – allerdings »erlesenes«, weil limitiertes – Publikum, das zusammen mit den Sänger:innen und den zum Einsatz kommenden Objekten während des ganzen Konzerts in Bewegung sein wird. Stets wechselnde Positionen und Perspektiven verändern auch die Rollen zwischen Beobachtenden und Beobachteten: Es wird nicht nur neu definiert, was es bedeutet, eine Zuschauer:in oder eine Musiker:in zu sein, sondern auch, was es bedeutet, sich in einem Konzertraum zu befinden.
So möchte der Komponist ein neues Bewusstsein für das Repertoire erzeugen, das während eines Konzerts erklingt, und auch eine neue Erfahrung der Selbstwahrnehmung bei der Teilnahme an einem performativen Raum.

Radz quartet Kyjiw
Dmytro Radzetskyi 8-saitige MIDI Radz-Gitarre Serhii Radzetskyi Bassgitarre, Vocals Mykhailo Sarana Tenorsaxophon, Flöte Rostyslav Yahodka Drums, Schlagzeug
Die ukrainische Fusion / Jazz-Rock-Band RADZ wurde von den Brüdern Dmytro und Serhii Radzetskyi gegründet, die der ukrainischen Experimental- und Avantgarde-Szene entstammen und bei internationalen Jazz-Größen (Stick Men, Phil Minton, Steve Hackett, Fried Dahn u.v.m.) in die Lehre gegangen sind. Sie gaben der Band, die auch mal bis zum 80-köpfigen »Ukrainian Improvisers Orchestra« anwachsen kann, ein sehr eigenes Profil zwischen experimentellem Jazz, Rock, Avantgarde, Ambient, Elektronik und Musique concrète. Immer kommen dabei auch die von Dmytro gebauten 8- und 10-saitigen MIDI-RADZ-Gitarren zum Einsatz.
Mit ihrem Motto »And why not?!« schafft es die Band immer wieder, das Publikum zu verblüffen. Nach dem Festival überlässt Musik der Jahrhunderte den Musikern um die beiden RADZ Brüder (why not?) noch für einige Tage ihre Probebühne. Metal-Jazz-Fusion-Fans werden weitere originelle Auftritte erleben – gespeist aus einem aus dem Zorn geborenen Durchhaltewillen und unbedingtem Optimismus.
Tickets
Karten für die Konzerte 1 und 2
am 16. Juli 2022 in der Liederhalle, Silchersaal
Vorverkauf: easyticket.de
und Abendkasse
Karten für die Konzerte 3 – 7
im Theaterhaus
Theaterhaus Stuttgart
Siemensstraße 11
70469 Stuttgart
+49 (0) 711 / 40 20 720
Mo. – Fr.: 10:00 – 18:00 Uhr
Sa., So. und an Feiertagen ist die Kasse von
13:00 – 21:00 Uhr besetzt
Ermäßigung erhalten Auszubildende, Rentner:innen, BFD, Arbeitslose und Menschen mit Behinderung. Schüler:innen und Studierende erhalten gegen Vorlage eines gültigen Ausweises für alle Konzerte Karten zu je 5,– Euro.
Inhaber:innen der Bonuscard + Kultur 2022 (Kultur für Alle) haben freien Eintritt zu allen Veranstaltungen. Diese Karten müssen reserviert und spätestens 30 Minuten vor Beginn der Vorstellung abgeholt werden.